Die Rivalität zwischen den USA und China im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) hat eine neue Dimension erreicht. Angesichts des rasanten Fortschritts Chinas bei der Entwicklung und Anwendung von KI-Technologien, insbesondere im Bereich der Künstlichen Allgemeinen Intelligenz (AGI), scheinen die USA eine neue Strategie zu verfolgen, die an das Manhattan-Projekt erinnert.
In ihrem jüngsten Bericht an den Kongress empfiehlt die US-China Economic and Security Review Commission (USCC) die Einrichtung eines staatlich geförderten Programms zur Entwicklung von AGI, also KI-Systemen, die menschliche kognitive Fähigkeiten erreichen oder sogar übertreffen können. Dieses Programm soll führenden KI-Unternehmen, Cloud-Anbietern und Rechenzentrumsbetreibern mehrjährige Verträge sichern und mit der höchsten Prioritätsstufe des Verteidigungsministeriums, dem "DX Rating", ausgestattet werden. Diese Einstufung ist normalerweise Projekten vorbehalten, die für die nationale Sicherheit von entscheidender Bedeutung sind.
Dieses ambitionierte Vorhaben erinnert an die Dringlichkeit vergangener Technologie-Wettläufe, wie beispielsweise die Entwicklung der Atombombe während des Zweiten Weltkriegs. Es wirft jedoch auch Fragen nach der Rolle staatlicher Interventionen in einer Branche auf, die bisher hauptsächlich von Innovationen des Privatsektors getrieben wurde.
Neben der AGI-Initiative empfiehlt die USCC auch weitere Maßnahmen zur Kontrolle von Schlüsseltechnologien. Dazu gehören Exportbeschränkungen für fortschrittliche Halbleiter, Investitionsprüfungen und neue Handelsrichtlinien, um die technologischen Vorteile der USA zu sichern. Besonders im Fokus stehen dabei autonome humanoide Roboter mit fortgeschrittenen Fähigkeiten in den Bereichen Geschicklichkeit, Fortbewegung und Intelligenz, sowie Energieinfrastrukturprodukte mit Fernüberwachungsfunktionen. Die USCC schlägt die Einrichtung eines Outbound Investment Office vor, um zu verhindern, dass US-Kapital und -Know-how zum Ausbau der chinesischen Technologiekapazitäten in sensiblen Sektoren beitragen.
Ein weiterer, besonders weitreichender Vorschlag der Kommission ist die Aufhebung des Status Chinas als Permanent Normal Trade Relations (PNTR). Dieser Schritt könnte die globalen Technologie-Lieferketten und Handelsströme, die die Branche seit Jahrzehnten prägen, grundlegend verändern. Er verdeutlicht die tiefe Verflechtung der US-amerikanischen und chinesischen Tech-Ökosysteme und deutet gleichzeitig darauf hin, dass diese Interdependenz nun möglicherweise mehr Risiken als Vorteile birgt.
China verfolgt weiterhin das Ziel der technologischen Selbstversorgung in wichtigen Bereichen und treibt seine "new quality productive forces"-Initiative voran. Dies zeigt Pekings Entschlossenheit, bei den Technologien der nächsten Generation eine führende Rolle zu spielen. Die Fortschritte Chinas bei der Entwicklung eigener KI-Chips und der Aufbau einer heimischen Chipindustrie sind Beispiele für diese Strategie. Chinesische Unternehmen wie China Telecom trainieren bereits riesige KI-Modelle mit Billionen von Parametern auf inländisch produzierten Chips, um die Abhängigkeit von ausländischen Herstellern wie Nvidia zu verringern.
Die Umsetzung der von der USCC empfohlenen Maßnahmen birgt jedoch auch Herausforderungen. Die Entwicklung von AGI ist eine komplexe wissenschaftliche Aufgabe, die unabhängig von der Höhe der Finanzierung möglicherweise keine schnellen Ergebnisse liefert. Darüber hinaus könnten Beschränkungen von Technologietransfers und Investitionen unbeabsichtigte Folgen für globale Innovationsnetzwerke haben, von denen in der Vergangenheit beide Nationen profitiert haben. Die Wirksamkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen wird wahrscheinlich von der Zusammenarbeit mit Verbündeten und Partnern abhängen, die ähnliche technologische Fähigkeiten und Bedenken teilen.
Der Technologie-Wettbewerb zwischen den USA und China ist in eine neue Phase eingetreten, in der die Regierungspolitik eine direktere Rolle bei der Gestaltung der Entwicklung spielen könnte. Ob dieser Ansatz die Innovation beschleunigt oder behindert, bleibt abzuwarten. Die Technologiebranche sollte sich jedoch auf eine verstärkte Kontrolle und Regulierung der internationalen technologischen Zusammenarbeit einstellen.
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