In einer Welt, in der globale Verständigung und multikulturelle Interaktionen alltäglich sind, ist die Fähigkeit, miteinander zu kommunizieren, wichtiger denn je. Lange Zeit bedeutete dies, dass das Erlernen von Fremdsprachen eine Grundvoraussetzung für internationale Beziehungen, Geschäfte und Reisen war. Doch die rasanten Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) könnten dies grundlegend verändern und die Art und Weise, wie wir Sprachen nutzen und lernen, revolutionieren.
Bereits heute ermöglichen KI-basierte Simultanübersetzer auf Smartphones, dass wir uns in Echtzeit über Sprachbarrieren hinweg verständigen können. Was einst als Science-Fiction in Douglas Adams' "Per Anhalter durch die Galaxis" mit dem fiktiven Babelfisch, der sämtliche Sprachen des Universums übersetzt, begann, scheint in greifbare Nähe zu rücken. Der Berliner Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch sieht in den Fortschritten beim maschinellen Lernen das Potenzial, das Erlernen von Fremdsprachen obsolet zu machen. Programme, die auf modernen Smartphones installiert werden, sind bereits in der Lage, Gesprochene Sprache nahezu pausenlos zu übersetzen, auch wenn sie bei komplexen Ausdrücken oder akustischen Herausforderungen noch ihre Grenzen zeigen.
Samsungs neues Smartphone Galaxy S24, das in Zusammenarbeit mit Google entwickelt wurde, stellt einen weiteren Schritt in diese Richtung dar. Es ermöglicht beispielsweise die Übersetzung von Anrufen, sodass Nutzer ohne Sprachkenntnisse einen Tisch im Restaurant reservieren können. Die Software spricht sogar die Sätze mit einer computergenerierten Stimme aus, auch wenn dies zu Pausen in der Unterhaltung führen kann.
Doch trotz der beeindruckenden Fortschritte stellt sich die Frage, ob das Erlernen von Fremdsprachen dadurch überflüssig wird. Stefanowitsch verneint dies. Er betont den Wert des Sprachenlernens, nicht nur für den Informationsaustausch, sondern auch für die menschliche Interaktion und das Eintauchen in andere Kulturen. Jede Sprache bietet eine eigene Weltsicht, die nur durch das Erlernen der Sprache selbst erfahren werden kann. Er argumentiert, dass Freundschaften oder Liebesbeziehungen auch in Zukunft nicht dauerhaft über eine zwischengeschaltete App geführt werden wollen.
Das Goethe-Institut stimmt dieser Ansicht zu und verweist auf Beispiele wie Pflegekräfte in Deutschland, die nicht Deutsch als Muttersprache sprechen. Natürliche Sprache ermöglicht Empathie, die durch eine Simultanübersetzung nicht ersetzt werden kann. Die Frage, ob wir in einer Welt leben wollen, in der Pflegekräfte mit ihren Patienten nur über eine Übersetzung kommunizieren, ist daher durchaus berechtigt.
Mit Blick auf die Zukunft des Fremdsprachenunterrichts sehen Experten eine Veränderung der Rolle des Lehrers und des Unterrichts hin zu einer aktiven Begleitung der Lernenden. KI könnte zu Hause bei den Hausaufgaben unterstützen, aber nicht den gesamten Lernprozess ersetzen. Stefanowitsch prognostiziert, dass wir in Zukunft auf Hausaufgaben verzichten müssen, die von KI-Anwendungen erledigt werden können.
Es gibt jedoch auch Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen von maschinellen Simultanübersetzern auf die Muttersprache. Maschinell erzeugte Texte neigen dazu, phrasenhaft und unpersönlich zu klingen und könnten Mundart und Dialekte gefährden. Ebenso könnte die Notwendigkeit einer fehlerfreien Übersetzung zu einer Reduzierung des Wortschatzes führen. Stefanowitsch betont, dass Übersetzungen von Menschen statt von Maschinen angefertigt werden sollten.
Insgesamt wird deutlich, dass KI zwar das Potenzial hat, die Art und Weise, wie wir Sprachen nutzen und lernen, zu verändern, aber das Erlernen von Fremdsprachen aus verschiedenen Gründen nach wie vor sinnvoll und notwendig ist. Die KI kann als Werkzeug dienen, um die Kommunikation zu erleichtern, aber sie kann die tiefere menschliche Erfahrung, die durch das Erlernen und Beherrschen einer anderen Sprache entsteht, nicht ersetzen.
Quellen:
- ntv.de, Technik, "Schenkt uns KI den Babelfisch?", Marc Fleischmann und Andrej Sokolow, dpa
- rnz.de, Ratgeber Wissen, "KI als Dolmetscher: Müssen wir nie mehr eine Sprache lernen?", dpa
- mt.de, Weltnews Multimedia, "KI als Dolmetscher: Müssen wir nie mehr eine Sprache lernen?", Marc Fleischmann, Andrej Sokolow
- flz.de, KI als Dolmetscher: Müssen wir nie mehr eine Sprache lernen?, dpa-infocom, dpa:240220-99-52669/3