Neuroprothesen verbessern die Kommunikationsfähigkeit bei ALS-Patienten

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August 27, 2024

Neuroprothese: Ein Durchbruch in der Kommunikation für ALS-Patienten

Die Fortschritte in der Neurotechnologie haben es einem 45-jährigen Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) ermöglicht, wieder flüssiger zu kommunizieren. Dank einer innovativen Neuroprothese, die von einem Team der University of California in Davis entwickelt wurde, kann der Patient nun sechsmal schneller sprechen als zuvor. Diese Entwicklung stellt einen bedeutenden Fortschritt für Menschen mit schweren Kommunikationsbehinderungen dar und könnte künftig vielen Betroffenen zugutekommen.

Technologie und Funktionsweise der Neuroprothese

Der Patient erhielt im Juli 2023 eine Gehirn-Computer-Schnittstelle (Brain-Computer-Interface, BCI), die von Neurochirurgen der University of California in Davis implantiert wurde. Die Schnittstelle erfasst EEG-Signale aus dem Broca-Areal und dem linken Gyrus praecentralis, die für die Sprachproduktion und Bewegung verantwortlich sind. Diese Signale werden von 256 Elektroden erfasst und drahtlos an einen Computer übertragen, der die neuronalen Daten in Sprache umwandelt.

Ein künstliches neuronales Netzwerk dekodiert die erfassten Signale alle 80 Millisekunden in Phoneme. Die Laute werden in Echtzeit über eine Text-to-Speech-Software wiedergegeben, wobei auch die Stimme des Patienten nachgeahmt wird, um eine möglichst natürliche Kommunikation zu ermöglichen. Dadurch kann der Patient nahezu fließend sprechen, mit nur minimalen Verzögerungen zwischen den Worten.

Erfolge und Herausforderungen

Bereits am ersten Tag der Übung – 25 Tage nach der Operation – erreichte der Patient eine Genauigkeit von 99,6 Prozent bei einem Wortschatz von 50 Wörtern. Mit einem erweiterten Wortschatz von 125.000 Wörtern erreichte die Neuroprothese eine Genauigkeit von 90,2 Prozent. Nach weiteren Trainingsdaten über 8,4 Monate verbesserte sich die Genauigkeit auf 97,5 Prozent. Der Patient konnte in selbst gesteuerten Gesprächen etwa 32 Wörter pro Minute erreichen, während die durchschnittliche Sprechgeschwindigkeit bei englischsprachigen Menschen bei etwa 160 Wörtern pro Minute liegt.

Die Neuroprothese erkennt anhand der Hirnaktivität, wann der Patient versucht zu sprechen, und beendet das Gespräch nach sechs Sekunden Inaktivität oder mittels Eye-Tracking. Der Patient hat zudem die Möglichkeit, die Aussage mittels Eye-Tracking zu korrigieren, falls nötig.

Langjährige Forschung und weitere Entwicklungen

Die Entwicklung von Neuroprothesen ist das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung. Bereits 2021 hatten Forscher des Cognitive Systems Lab (CSL) an der Universität Bremen eine Neurosprachprothese entwickelt, die gedachte Worte in hörbare Sprache umwandelt. Diese Technologie wurde in einer Studie im Fachjournal Nature vorgestellt und zeigte, dass Hirnstromsignale nahezu verzögerungsfrei in Sprache umgewandelt werden können.

Ein weiterer bedeutender Fortschritt wurde an der University of California in San Francisco erzielt, wo eine Patientin mit einem ähnlichen System eine Sprechgeschwindigkeit von 78 Wörtern pro Minute erreichte. Die Elektroden wurden hierbei über dem Hirnareal platziert, das für Mundbewegungen zuständig ist, und die Signale wurden mittels eines neuronalen Netzes in Sprache übersetzt.

Ausblick und zukünftige Anwendungen

Die Fortschritte in der Neurotechnologie zeigen das Potenzial, die Lebensqualität von Menschen mit schweren Kommunikationsbehinderungen erheblich zu verbessern. Die aktuelle Forschung konzentriert sich darauf, diese Technologien weiter zu verfeinern und ihre Anwendung auf eine breitere Patientengruppe auszuweiten. Die Entwicklung drahtloser Verbindungen und die Verbesserung der Trainingsalgorithmen sind hierbei wichtige Schritte.

Experten wie Thorsten Zander von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg sehen in den aktuellen Ergebnissen einen klaren Fortschritt. Dennoch betonen sie, dass die Systeme derzeit noch hochindividuell sind und mehrwöchiges Training erfordern. Langfristig könnte diese Technologie jedoch vielen Menschen helfen, ihre Kommunikationsfähigkeiten wiederzuerlangen und ein selbstbestimmteres Leben zu führen.

Fazit

Die Entwicklung der Neuroprothese zur Unterstützung der Kommunikation bei ALS-Patienten stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Neurotechnologie dar. Durch die Dekodierung von Hirnsignalen und deren Umwandlung in fließende Sprache können Betroffene wieder aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Die kontinuierliche Forschung und Verbesserung dieser Technologien bieten Hoffnung für eine breitere Anwendung und könnten in Zukunft vielen Menschen mit ähnlichen Beeinträchtigungen zugutekommen.

Die Ergebnisse der aktuellen Studien zeigen, dass es möglich ist, durch innovative Technologien die Kommunikation erheblich zu verbessern und den Betroffenen ein Stück Lebensqualität zurückzugeben. Die zukünftige Forschung wird entscheidend sein, um diese Technologien weiter zu verfeinern und ihre Anwendung auf eine größere Patientengruppe auszudehnen.

Bibliografie

- https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Gehirn-Computer-Schnittstelle-laesst-45-Jaehrigen-wieder-sprechen-452011.html - https://www.spektrum.de/news/neuroprothesen-hirnimplantate-lassen-gelaehmte-wieder-sprechen/2176587 - https://www.n-tv.de/wissen/Hirnimplantat-Patient-spricht-fast-fehlerfrei-mit-KI-Stimme-article25177448.html - https://www.geo.de/wissen/forschung-und-technik/gehirn-computer-schnittstelle--gelaehmte-koennen-wieder-sprechen-33760596.html - https://www.aponet.de/artikel/gehirnimplantat-gibt-patienten-die-stimme-zurueck-29318 - https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/neuroprothese-setzt-hirnaktivitaet-in-buchstaben-um/ - https://www.elektronikpraxis.de/gelaehmte-menschen-sollen-mit-ki-ihre-sprache-zurueck-bekommen-a-edf126ff86f66fd71bcbcaa8485dac4d/ - https://www.euroakademie.de/magazin/neues-von-der-gehirn-computer-schnittstelle/ - https://www.focus.de/gesundheit/news/forschenden-gelingt-durchbruch-parkinson-patient-kann-wieder-normal-gehen_id_241050733.html
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