Künstliche Intelligenz als Entscheidungshilfe bei fehlender Patientenverfügung

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August 5, 2024
Fehlende Patientenverfügung: Kann KI bei dieser schwierigen Frage helfen? In einer Welt, in der technologische Fortschritte in rasantem Tempo voranschreiten, stellt sich die Frage, ob Künstliche Intelligenz (KI) eine Lösung für eines der schwierigsten Probleme im Gesundheitswesen bieten kann: Entscheidungen am Lebensende für Patienten ohne Patientenverfügung. Diese Frage gewinnt zunehmend an Bedeutung, da immer mehr Menschen nicht in der Lage sind, ihre eigenen Wünsche in Bezug auf medizinische Behandlungen zu äußern, wenn sie schwer erkranken oder einen Unfall erleiden. Ein emotionales Dilemma Vor einigen Monaten erlitt eine Frau Mitte 50, die wir hier Sophie nennen, einen hämorrhagischen Schlaganfall. Die Hirnblutung führte zu schweren Hirnschäden, und Sophie war nicht mehr ansprechbar. Sie benötigte eine Trachealkanüle zum Atmen und eine Sonde zur Ernährung. Die große Frage war: Wie sollte ihre medizinische Versorgung fortgesetzt werden? Diese Entscheidung wurde Sophies Familie überlassen, was in solchen Situationen üblich ist. Doch die Familie konnte sich nicht einigen. Sophies Tochter war der Meinung, dass ihre Mutter keine weiteren medizinischen Behandlungen mehr erhalten sollte und in Ruhe sterben wollte. Ein anderes Familienmitglied widersprach vehement und bestand darauf, dass Sophie „eine Kämpferin“ sei. Die Situation war für alle Beteiligten, einschließlich der Ärzte, äußerst belastend. Die Rolle von Stellvertretern Entscheidungen am Lebensende können für Stellvertreter, also die Personen, die diese Entscheidungen im Namen eines Patienten treffen müssen, extrem belastend sein. David Wendler, Bioethiker an den US National Institutes of Health, und seine Kollegen arbeiten daher an einer Idee, die diese Situation erleichtern soll: ein auf Künstlicher Intelligenz basierendes Werkzeug, das Angehörigen helfen kann, vorherzusagen, was die Patienten selbst in einer bestimmten Situation wollen würden. Das Tool ist noch nicht fertiggestellt, doch Wendler plant, es anhand von medizinischen Daten, persönlichen Nachrichten sowie Beiträgen in sozialen Medien zu trainieren. Er hofft, dass ein solches System nicht nur genauer herausfinden kann, was der Patient möchte, sondern auch den Stress und die emotionale Belastung solcher schwierigen Entscheidungen für die Familienmitglieder verringert. Das System soll zusammen mit dem Bioethiker Brian Earp von der University of Oxford und weiteren Kollegen entwickelt werden. Die Herausforderung der Implementierung Die Einführung eines solchen Tools wird nicht einfach sein. Kritiker fragen sich, wie ein solches Tool ethisch vertretbar mit den Daten eines Menschen trainiert werden kann und ob Entscheidungen über Leben und Tod jemals einer KI anvertraut werden sollten. Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass etwa 34 Prozent der Menschen, die in einem Krankenhaus, Hospiz oder Pflegeheim liegen, aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage sind, Entscheidungen über ihre eigene medizinische Versorgung zu treffen. Diese Zahl ist bei älteren Menschen noch höher. Eine Studie in den USA ergab, dass bis zu 70 Prozent derjenigen, die vor wichtigen Entscheidungen über ihre Pflege standen, nicht in der Lage waren, diese Entscheidungen selbst zu treffen. Die Bedeutung der Patientenverfügung Nur etwa einer von drei Erwachsenen in den USA hat eine Patientenverfügung ausgefüllt, ein juristisches Dokument, in dem festgelegt ist, welche Art von Pflege am Ende des Lebens gewünscht wird. In Europa sieht es nicht besser aus. Wendler schätzt, dass über 90 Prozent der Entscheidungen am Lebensende von einer anderen Person als dem Patienten getroffen werden. Die Rolle eines Stellvertreters besteht darin, diese Entscheidung auf der Grundlage der Vorstellungen des Patienten zu treffen, aber Menschen sind im Allgemeinen nicht gut darin, diese Art von Vorhersagen zu treffen. Studien deuten darauf hin, dass Stellvertreter die Entscheidungen eines Patienten am Lebensende nur in etwa 68 Prozent der Fälle richtig vorhersagen. Ein personalisierter Ansatz Wendler und seine Kollegen arbeiten an einer moderneren Idee. Das neue Instrument, das sie entwickeln wollen, soll nicht auf groben Merkmalen der Allgemeinbevölkerung beruhen, sondern personalisiert sein. Das Team schlägt vor, mithilfe von Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen die Behandlungspräferenzen eines Patienten auf der Grundlage von persönlichen Daten wie der Krankengeschichte, E-Mails, persönlichen Nachrichten, dem Surfverhalten im Internet, Beiträgen in sozialen Medien oder sogar Facebook-Likes vorherzusagen. Ergebnis wäre ein „digitaler psychologischer Zwilling“ einer Person – ein Werkzeug, das Ärzte und Familienmitglieder zurate ziehen könnten, um die medizinische Versorgung einer Person zu steuern. Die Forscher nennen ihr Instrument einen „personalisierten Patientenpräferenzprädiktor“, kurz P4. Wenn es so funktioniert, wie sie hoffen, könnte das System theoretisch genauer sein als die vorherige Version des Tools und genauer als menschliche Stellvertreter. Die ethischen Bedenken Ein Instrument wie P4 könnte auch dazu beitragen, die emotionale Belastung zu mindern, die Stellvertreter empfinden, wenn sie so wichtige Entscheidungen über Leben und Tod ihrer Familienmitglieder treffen müssen. Dennoch gibt es ethische Bedenken. „Die Frage ist: Wie wollen wir, dass Entscheidungen am Ende des Lebens getroffen werden, und von wem?“, sagt Georg Starke, Forscher an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne. Er befürchtet, dass ein technikorientierter Ansatz dazu führen könnte, dass intime, komplexe und persönliche Entscheidungen zu einer „technischen Frage“ werden. Bryanna Moore, Ethikerin an der Universität von Rochester, meint, ihre erste Reaktion, als sie von P4 hörte, sei gewesen: „Oh, nein.“ Moore ist eine klinische Ethikerin, die in zwei Krankenhäusern Beratungen für Patienten, Familienangehörige und Krankenhauspersonal anbietet. „Ein großer Teil unserer Arbeit besteht darin, mit Menschen zusammenzusitzen, die vor schrecklichen Entscheidungen stehen. Sie haben keine guten Optionen“, sagt sie. Die Zukunft von KI in der Medizin Die Einführung von KI in die medizinische Entscheidungsfindung ist ein komplexes und kontroverses Thema. Während einige hoffen, dass Technologien wie P4 die Belastung für Stellvertreter verringern und genauere Vorhersagen ermöglichen können, bleibt die Frage, wie solche Systeme ethisch und verantwortungsvoll eingesetzt werden können. Die Diskussion darüber, ob und wie KI in der medizinischen Entscheidungsfindung eingesetzt werden sollte, wird sicherlich weitergehen, während Forscher und Ethiker weiterhin an Lösungen arbeiten, die sowohl technologisch fortschrittlich als auch ethisch vertretbar sind. Bibliographie - https://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2024-08/62907187-fehlende-patientenverfuegung-koennte-ki-bei-dieser-schwierigen-frage-helfen-397.htm - https://t3n.de/tag/kuenstliche-intelligenz/ - https://www.dipat.de/vorsorge/patientenverfuegung/mit-versus-ohne-patientenverfuegung - https://www.ardmediathek.de/sendung/swr1-leute/Y3JpZDovL3N3ci5kZS8yNTE2MjcxMA - https://www.familienratgeber.de/rechte-leistungen/recht-gesetz/patientenverfuegung - https://newstral.com/de/article/de/1256350734/fehlende-patientenverf%C3%BCgung-k%C3%B6nnte-ki-bei-dieser-schwierigen-frage-helfen- - https://www.deutschlandfunk.de/ - https://www.ppm-online.org/pflegestandards/seelsorge/patientenverfuegung/ - https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Formular/Patientenverfuegung_Textbausteine_pdf.pdf?__blob=publicationFile
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