J G Ballard und die frühe Vision künstlicher Kreativität

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June 14, 2024

Im Zeitalter künstlicher Intelligenz, in dem Texte automatisch geschrieben, Musik komponiert und Kunstwerke erschaffen werden, scheint die Vision des Science-Fiction-Autors J.G. Ballard aus den 1970er Jahren bemerkenswert vorausschauend. Ballard, berühmt für seine oft verstörenden und unkonventionellen Werke, experimentierte bereits vor Jahrzehnten mit computergenerierter Poesie – eine frühe Form dessen, was heute durch Programme wie OpenAIs ChatGPT möglich ist.

Ballard, der in seinen Geschichten die Grenzen der Realität auslotete und häufig die Zerstörung sozialer Normen thematisierte, beschäftigte sich schon früh mit den Möglichkeiten der Computertechnologie. In einem Interview aus dem Jahr 2004 sprach er darüber, dass seine Romane oft das erforschen, was "in einer bestimmten Gemeinschaft gerade bevorsteht". Er versuchte, die "unbewusste Logik" zu finden, die unter der Oberfläche verborgen liegt, und war damit seiner Zeit oft einen Schritt voraus.

In den 1960er Jahren schrieb Ballard über futuristische Konzepte und begann in den 1970er Jahren mit der Erstellung der frühesten Form von computergenerierter Poesie zu experimentieren. Die von Computern geschaffenen Gedichte wurden in der literarischen Quartalszeitschrift Ambit veröffentlicht, deren Prosa-Redakteur Ballard war. Diese Gedichte waren eine Antwort auf Ballards Wunsch, mehr Wissenschaft in Ambit zu integrieren, da die Wissenschaft die Welt umgestaltete, wie er es sah.

Die Gedichte, die von Computern generiert wurden und zwischen 1972 und 1977 veröffentlicht wurden, können zwar als schwierig zu lesen bezeichnet werden, doch ihr experimenteller Charakter und die Tatsache, dass sie einen Vorläufer der heutigen Debatte über Kreativität darstellen, machen sie dennoch bemerkenswert. Ballards Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Methoden der Komposition und seine Neugier auf technologische Entwicklungen spiegeln sich in diesen Arbeiten wider.

Ballards Interesse an der computerbasierten Kulturproduktion ging sogar so weit, dass er bereits 1961 eine Kurzgeschichte verfasste, in der Maschinen Poesie schreiben. Diese Geschichte, "Studio 5, The Stars", zeigt eine Welt, in der Dichter ihre Werke mithilfe von automatisierten "Verse-Transcribern" erstellen, was darauf hindeutet, dass Ballard die sich abzeichnende Konvergenz von Kreativität und Technologie bereits früh erkannte.

Über die Jahre hinweg hat Ballard in verschiedenen Interviews und Essays seine Visionen zur Zukunft der Medien und Technologie dargelegt. Er sprach von einem "media landscape", einer Welt, in der die Realität zunehmend von Technologie und Massenmedien geformt wird, und prognostizierte Entwicklungen, die wir heute als soziale Medien und die Popularität von YouTube-Kanälen kennen.

Es ist daher wenig verwunderlich, dass Ballard, der 2009 verstarb, die Entwicklungen rund um das Internet und die digitale Kultur miterlebte und kommentierte. Sein Werk und seine Visionen bieten einen faszinierenden Einblick in die frühen Vorstellungen von Künstlicher Intelligenz und deren Auswirkungen auf das menschliche Schaffen und Erleben.

Heute stehen wir vor einer neuen Ära der generativen KI, angeführt von Systemen wie ChatGPT, die Texte auf Aufforderung erstellen. Gleichzeitig stellen sich nun Fragen nach dem Wesen der menschlichen Kreativität und der Zukunft des menschlichen Schreibers. Ballards Experimente mit computergenerierter Poesie erinnern uns daran, dass die Idee einer KI, die kulturelle Formen schafft, nicht neu ist, sondern auf eine lange Geschichte zurückblickt.

Die Debatte um Künstliche Intelligenz, Kreativität und Urheberschaft hat mit Sicherheit noch kein Ende gefunden, jedoch hat J.G. Ballard schon vor Jahrzehnten einen wichtigen Grundstein für diese Diskussion gelegt. Seine Arbeiten bieten bis heute wertvolle Einblicke in das, was war, was ist und was noch kommen mag.

Quellen:
- David Beer, "Novelist J.G. Ballard was experimenting with computer-generated poetry 50 years before ChatGPT was invented", The Conversation, veröffentlicht am 7. Mai 2024.
- Yahoo News, "Novelist J.G. Ballard experimenting with computer-generated poetry", veröffentlicht am 7. Mai 2024.
- ChatGPT News (@ChatGPTPulse), Twitter, veröffentlicht am 3. April 2023.
- Open Culture, "J.G. Ballard Predicted the Rise of Social Media and YouTube Celebrity in 1977", veröffentlicht am 25. März 2016.
- Technovelgy.com, "Dictionary of Artificial Intelligence Terms in Science Fiction".
- Scientific Today (@scitoday_news), Twitter, veröffentlicht am 8. Mai 2024.
- ResearchGate, "Readability: Text and Context", veröffentlicht 2015.
- New Literaria, "Abstract Volume", veröffentlicht Oktober 2023.
- File770, "Tag Archives: Amazing Stories", veröffentlicht am 1. Mai 2024.

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