Im Juli 2024 veröffentlichte Google eine neue Werbekampagne, die das Unternehmen in eine Welle der Kritik stürzte. Die Werbung, in der ein Vater mithilfe von Googles Gemini AI seiner Tochter hilft, einen Brief an ihr olympisches Idol Sydney McLaughlin-Levrone zu schreiben, wurde von vielen als unsensibel und emotional unzureichend empfunden. Die Reaktionen reichten von Enttäuschung über die vermeintliche Unaufrichtigkeit bis hin zu Sorgen bezüglich der Auswirkungen von KI auf persönliche Beziehungen.
Der Werbespot mit dem Titel „Dear Sydney“ zeigt einen Vater, der die KI-Funktion Gemini verwendet, um seiner Tochter zu helfen, einen Brief an die amerikanische Leichtathletik-Olympiasiegerin Sydney McLaughlin-Levrone zu verfassen. Ziel der Werbung war es, die positiven Aspekte der Nutzung von KI für persönliche Korrespondenz hervorzuheben. Doch statt Begeisterung löste der Spot weitreichende Kritik aus, insbesondere wegen der vermeintlichen Entmenschlichung eines so persönlichen Moments.
Kritiker argumentierten, dass die Werbung nicht nur emotional flach sei, sondern auch grundlegende menschliche Werte wie Authentizität und Kreativität untergrabe. Viele sahen in der Verwendung von KI für eine so persönliche Aufgabe eine Förderung von Faulheit und einen Verlust der echten menschlichen Verbindung. Die Kommentarfunktion auf YouTube wurde aufgrund der negativen Reaktionen deaktiviert.
Ein zentraler Kritikpunkt war, dass die Werbung eine Gelegenheit verpasste, die Möglichkeiten von KI auf eine Weise zu demonstrieren, die echte Verbindungen zwischen Athleten und Fans fördert. Stattdessen wurde die Werbung als ein Versuch wahrgenommen, eine formative Kindheitserfahrung für kommerzielle Zwecke auszunutzen.
Die Bedenken hinsichtlich der Authentizität und der emotionalen Wirkung von KI-generierten Nachrichten werden teilweise durch wissenschaftliche Forschung gestützt. Eine Studie von Bingjie Liu an der Ohio State University untersuchte die Auswirkungen von KI-generierten Nachrichten auf persönliche Beziehungen. Die Ergebnisse zeigten, dass solche Nachrichten oft als unangemessen empfunden werden und die Beziehungssicherheit verringern können.
Die Teilnehmer der Studie bewerteten Nachrichten, die mit Hilfe von KI verfasst wurden, als weniger aufrichtig und empfanden einen Mangel an persönlichem Engagement. Liu erklärte, dass persönlicher Einsatz in Beziehungen zählt und dass KI-generierte Nachrichten als Abkürzungen wahrgenommen werden, die das Vertrauen und die Bindung in Beziehungen untergraben könnten.
Dr. James R. Doty, ein Neurowissenschaftler an der Stanford University, äußerte Bedenken bezüglich des Werbespots. Er betonte, dass das Schreiben eines Briefes an ein Idol eine sehr persönliche Erfahrung sei, die durch den Einsatz von KI entwertet werde. Doty argumentierte, dass das Schreiben eines solchen Briefes ein wichtiger Teil des Zielsetzungsprozesses sei, der tief reflektierende Gedanken über die eigenen Werte und Ambitionen beinhalte.
Auch innerhalb der Werbebranche gab es geteilte Meinungen. Einige Experten wie Maani Safa, CEO der Marketingagentur Poppins, verteidigten die Werbung und argumentierten, dass die anfängliche Angst vor neuen Technologien oft durch Akzeptanz und Integration ersetzt werde. Andere wie Malcolm Poynton, Global Chief Creative Officer bei Cheil Worldwide, kritisierten die Werbung als „tonangebend“ und fragten, ob Google möglicherweise KI verwendet habe, um das Skript tatsächlich zu schreiben.
Die Diskussion um die „Dear Sydney“-Werbung spiegelt eine breitere gesellschaftliche Debatte über die Rolle und die Grenzen von KI in unserem täglichen Leben wider. Die Werbung hat deutlich gemacht, dass viele Menschen Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen von KI auf menschliche Beziehungen und die Authentizität haben.
Die Medien spielten eine zentrale Rolle bei der Verbreitung und Verstärkung der Kritik. Plattformen wie Reddit, Twitter und verschiedene Nachrichtenportale boten Raum für Diskussionen und Meinungsäußerungen, die die öffentliche Wahrnehmung der Werbung stark beeinflussten.
Die Kontroverse um Googles „Dear Sydney“-Werbung zeigt, dass die Integration von KI in persönliche und emotionale Bereiche unseres Lebens sorgfältig und sensibel gehandhabt werden muss. Während KI zweifellos das Potenzial hat, menschliche Kreativität und Produktivität zu unterstützen, darf sie nicht als Ersatz für echte menschliche Interaktion und Emotionen betrachtet werden. Die Reaktionen auf die Werbung unterstreichen die Notwendigkeit, die ethischen und sozialen Implikationen von KI sorgfältig zu berücksichtigen, um das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen und zu erhalten.