Im digitalen Zeitalter zeichnen sich Umbrüche in nahezu allen Lebensbereichen ab. Einer der faszinierendsten und zugleich kontroversesten Aspekte ist die Vorstellung, dass unser digitales Ich über den physischen Tod hinaus weiterexistieren könnte. Die Idee einer digitalen Unsterblichkeit wirft grundlegende Fragen auf, die Ethik, Persönlichkeitsrechte und die Trauerkultur betreffen.
Die Digital Afterlife Industry (DAI), eine noch junge Branche, die sich mit der digitalen Fortsetzung der Existenz über den Tod hinaus beschäftigt, bietet Nutzern die Möglichkeit, über Kommunikationsplattformen, Chatbots oder Avatare mit Verstorbenen zu interagieren. Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Ein Beispiel für die digitale Präsenz nach dem Tod ist das von der Firma Story-File erstellte Video-Hologramm der verstorbenen Marina Smith, das bei ihrer eigenen Beisetzung mit den Trauergästen interagierte. Dies wirft Fragen nach dem Umgang mit Tod und Trauer sowie nach der Wahrung der Würde der Verstorbenen auf.
Die Skepsis in der Gesellschaft gegenüber solchen Entwicklungen bleibt bestehen, wobei sich die Einstellung mit der zunehmenden Digitalisierung des Lebens jüngerer Generationen ändern könnte. Es gibt jedoch Bedenken, dass die ständige Interaktion mit den Avataren Verstorbener den Trauerprozess behindern und die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits verwischen könnte.
Eine weitere Herausforderung stellt die Frage dar, wer überhaupt unter welchen Bedingungen Avatare von Verstorbenen erstellen darf und wie das postmortale Persönlichkeitsrecht in diesem neuen Kontext geschützt werden kann. Das Projekt „Ethik, Recht und Sicherheit des digitalen Weiterlebens (Edilife)“ am Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Universität Tübingen setzt sich mit diesen komplexen Themen auseinander.
Das Konzept des Mind Uploads, bei dem das menschliche Bewusstsein auf ein digitales Substrat übertragen wird, eröffnet theoretisch die Möglichkeit, neurodegenerative Krankheiten zu behandeln oder das menschliche Leben über seine natürlichen Grenzen hinaus zu verlängern. Allerdings sind wir von der Realisierung dieser Möglichkeiten noch weit entfernt.
Die digitale Unsterblichkeit wirft auch die Frage auf, wie wir mit digitalen Erben umgehen. Soziale Netzwerke wie Facebook bieten die Möglichkeit, Profile von Verstorbenen in Gedenkseiten umzuwandeln, und Smartphones können als Fundort persönlicher Informationen dienen, die neue Einblicke in das Leben der Verstorbenen geben, aber auch unerwartete Entdeckungen mit sich bringen.
Die Vorstellung von einem Leben nach dem Tod in einer digitalen Form ist zugleich eine Verheißung und eine Horrorvorstellung. Sie verändert unser Verständnis von Identität und der Endgültigkeit des Todes. Während sie für einige eine Quelle des Trostes sein mag, könnte sie für andere eine unerwünschte Konfrontation mit der Vergangenheit bedeuten.
Während das Thema der digitalen Unsterblichkeit in Deutschland noch kaum Fuß gefasst hat, könnten sich die Vorstellungen und Einstellungen dazu ändern, wenn die mit dem Internet und sozialen Netzwerken aufgewachsenen Generationen älter werden. Fachleute aus den Bereichen Gesundheit, Technologie und Wirtschaft sind gefordert, mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten und ihre potenziellen Auswirkungen auf die Gesellschaft zu berücksichtigen.
Das Konzept der digitalen Unsterblichkeit steht somit im Spannungsfeld zwischen technologischer Machbarkeit, ethischen Bedenken und der Bewahrung der menschlichen Würde. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Vision in der Zukunft weiterentwickeln wird und welche Auswirkungen sie auf unsere Gesellschaft haben wird.
Quellen:
- Deutschlandfunk Kultur: "Unsterblichkeit: Wir sind mehr als digitale Abziehbildchen" und "Seele 3.0 - Digitale Untersterblichkeit"
- Wikipedia: "Digitale Unsterblichkeit"
- Welt der Wunder: "Digitale Unsterblichkeit – ewig weiterleben im Metaverse?"
- Tagesspiegel: "Digitale Unsterblichkeit: Kann Künstliche Intelligenz den Tod überlisten?"
- Spiegel: "Virtuelle Unsterblichkeit: Hossein Rahnama arbeitet an digitalen Klonen"
- MDR: "Ewiges Leben im Digitalen: Können wir unsterblich werden?"
- Universität Tübingen: "Digital unsterblich"
- Justin Schmitz Blog: "Consciousness Transference"